Die Entwicklung der Audio- und Videotechnik im 20. Jahrhundert ist unglaublich. Im Audiobereich sind wir vom knisternden Ton der Schellackplatten zum digitalisierten Perfektionismus übergegangen, der es unseren Ohren nicht mehr erlaubt, störende Geräusche wahrzunehmen.
Den menschlichen „Sensoren“ (Ohr und Auge) sind Grenzen gesetzt. So können wir zum Beispiel keine Töne über 20.000 Hz wahrnehmen. Auch sehr leise Töne können wir nicht hören, während laute Töne Schmerzen verursachen. Genau mit diesen Problemen wurde die Tontechnik konfrontiert. Frequenzgang, Rauschen und Dynamik waren die großen Probleme in der Frühzeit der Tontechnik. Weder die Lautstärke noch die erreichbaren Frequenzen entsprachen auch nur annähernd den Möglichkeiten unseres Gehörs.
Auf einer Schellackplatte konnte damals nur ein schmales Frequenzband (ca. 100 - 3000 Hz) wiedergegeben werden. Das systembedingte Rauschen der Schallplatte (das die Stahlnadel des Tonabnehmers durch Gleiten in der Rille erzeugte) war störend. Auch die Lautstärke war systembedingt gering.
Einen großen Sprung nach vorne machte die technische Entwicklung in den 1950er Jahren, als die Einführung der Vinyl-Schallplatte in Verbindung mit elektrischen Tonabnehmersystemen eine wesentlich präzisere Aufnahme und Wiedergabe ermöglichte. Der erreichbare Frequenzgang erweiterte sich zusehends nach unten und oben. Man sprach von HiFi (High Fidelity) welches für die damaligen Verhältnisse eine aussergewöhnlich gute Tonwiedergabe versprach. Mit der Einführung der Audio-CD im Jahr 1983 erreichte der übertragbare Klangbereich erstmals die Grenzen unseres Gehörs. Heutzutage können die neuesten Geräte Musik so wiedergeben, dass unser Gehör nicht mehr mithalten kann. Sowohl die Dynamik als auch der Frequenzbereich übersteigen bei weitem die Möglichkeiten unseres Hörorgans. Die Konsequenz daraus ist, dass wir zwar die Technik weiter entwickeln können, jedoch unser Gehör nicht mehr mithalten kann.
Etwas Ähnliches ist auch im Videobereich geschehen. Von den holprigen Schwarz-Weiss-Filmen bis zu den heutigen hochauflösenden Digitalaufnahmen hat es nur ein Jahrhundert gedauert. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich alles, wirklich alles, in rasantem Tempo. Heute sind unsere Augen die Grenze und nicht mehr die Technik.
In dieser Zeit hat sich die elektronischen Klangerzeugung und damit auch die Welt der Orgel rasant entwickelt. Vom rein mechanischen Instrument zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die ersten Versuche, Töne mit Strom zu erzeugen, bis hin zur digitalen Orgel.
In der Anfangszeit wurden mechanische Instrumente verwendet, um Klänge zu erzeugen, die natürliche Instrumente imitierten. Register mit den Bezeichnungen „Flöte“, „Oboe“ oder „Trompete“ sind bereits in Kirchenorgeln zu finden. Auch mit elektronischen Mitteln wurde versucht, den bekannten Instrumenten nahe zu kommen.
In den 1950er Jahren war die Hammond-Orgel das erste Instrument auf dem Markt, das den uns heute bekannten Hammond- oder Orgelklang erzeugen konnte.
Klaus Wunderlich gab schon sehr früh Tipps zur Registrierung der Hammond-Orgel, in denen er beschreibt, wie man eine Klarinette oder eine Trompete mit Zugriegeln registriert.
Die Zeit von 1950 bis etwa 1990 war die Zeit der elektronischen Orgel. Was ist passiert, dass diese Instrumente heute nur noch ein Schattendasein führen?
Die Begeisterung der Menschen war bei jedem Entwicklungsschritt spürbar. Jeder neue Klang wurde gefeiert, weil er besser klang als das, was es bis dahin gekannt hatte. Diese Entwicklung lässt sich auf den Schallplatten von Klaus Wunderlich wunderbar nachvollziehen.
Parallel zur Entwicklung des Klangs kamen mehr und mehr elektronische Spielhilfen (Schlagzeug und Begleitautomatik) ins Spiel. Dies ermöglichte es, die Instrumente kleiner und leichter zu transportieren. Der Markt für solche Geräte schien nahezu unbegrenzt. So entwickelte er sich von groß und teuer zu klein und billig. Auch in Bezug auf die Klangqualität. Manche erinnern sich nicht mehr an die Casio-Mini-Keyboards aus den 70er Jahren. Klaus Wunderlich sagte einmal: „Ich benutze keine Computer, um Musik zu machen, ein Computer hat keine Seele“.
Mit dem Aufkommen der Digitaltechnik wurde es möglich, durch Sampling jeden erdenklichen Klang in allerbester Qualität auf einem Keyboard zu erzeugen. Dadurch ist es nun möglich, Instrumente zu bauen, die fast alles können. Das lässt sich wunderbar an der Entwicklung des Hohlraumklangs unserer Orgeln veranschaulichen. Vom ersten Klavier auf der Wersi W248S und anderen Produkten bis zur Wersi Pianostar hat es nur 15 Jahre gedauert. Heute klingt ein Klavier auf einer Orgel wie ein Klavier.
Als Beispiel ist hier die Entwicklung des Klaviers auf der Orgel in 100 Sekunden zu hören:
- Wersi Piano, W248S, ca. 1975 (0:00 - 0:25)
- Wersi Piano, Helios, ca. 1985 (0:25 - 0:50)
- Wersi Piano, Spectra, ca. 1995 (0:50 - 1:15)
- Physikalisch modelliertes Klavier, Moddart Pianoteq 6, ca. 2020 (1:15 - 1:40)
Leider ist bei alledem die musikalische (menschliche) Seite bei der Produktion von Musik vernachlässigt worden. Heute spielt es kaum noch eine Rolle, ob ein Musikstück von einem Schlagzeuger begleitet wird oder ob dieser „Job“ von der Elektronik übernommen wird. Dies gilt inzwischen auch für viele andere Instrumente.
Die Orgel, wie Klaus Wunderlich sie gespielt hat, kann heute kaum noch existieren, weil die klangliche Identität der Orgel nicht mehr gegeben ist, weil man mit ihr nichts Neues mehr machen kann. Wenn eine Aufnahme genauso klingt wie ein echtes Orchester, dann kann man genauso gut beim Original bleiben.
Was bleibt, ist die Essenz des Orgelklangs, der Hammond-Sound. Der ist heute so charakteristisch wie damals und bei den Fans beliebt. Alles andere ist leider kaum noch interessant.
Für alle Freunde der Orgelmusik ist es schwer mitanzusehen, dass die Menschen von heute die Orgel heute fast nur noch als Museumsobjekt war nehmen. Wie soll man heute zum Beispiel eine Flöte oder Trompete auf einer Orgel registrieren? Der Hörer kann das Ergebnis nicht mehr vom Original unterscheiden.
«Die Musik von Klaus Wunderlich ist „Zeitgeschichte“.»
Wikipedia: Elektronische Orgel